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Ein Satz, der so anfängt, spricht irgendwie Bände, oder? Wenn wir ihn benutzen, sagt er doch wohl indirekt so etwas wie: Also meist sage ich ja nicht wirklich die ganze Wahrheit, aber jetzt, zu diesem Thema, will ich das doch mal tun …
Jedenfalls müssten wir diese Einleitung nicht benutzen, wenn Offenheit (klingt weniger moralisch als Ehrlichkeit) die Basis unserer normalen Kommunikation wäre. Im Leben gesamt, vor allem aber auch, natürlich, im Sex.

Was wir uns so in die Taschen lügen

Wird irgendwo so viel gelogen wie im Bett? Vielleicht noch in der Politik, aber sonst? Was spielen wir uns vor, was nehmen wir stillschweigend hin, wo machen wir mit, obwohl wir es nicht mögen, wo im Sex sind wir tatsächlich die, die wir sind? Ohne Lüge, ohne beschönigende Geschichte?
Bei Volker und mir war das so: Wir haben uns selbst und dem anderen die Hucke vollgelogen – das sehen wir im Rückblick auf die alten Zeiten im Sex. Wir hatten keinen Schimmer, was der andere wirklich fühlte, rückblickend wundern wir uns nicht, dass unser Sex und damit unsere Beziehung beinahe den Bach runtergegangen wäre.
Wir glauben, dass es den allermeisten Paare genauso geht: Sie machen sich was vor. Und das tun sie nicht, weil sie notorische Lügenbolde sind, oder hinterhältig oder sonst absichtlich gemein sind, sondern weil jede Menge unterschiedliche Ängste im Hintergrund ihr Unwesen treiben.

Kleiner Exkurs: Was ist eine Lüge im Sex?

Kurz gesagt: Eine Lüge enthält Unwahres, zum Beispiel in der Kommunikation. Ich sage, ich habe Lust auf Sex, weil ich weiß, dass meine Partner Lust hat und ich aber keinen Stress will – obwohl es für mich nicht ganz stimmt. Unser Verhalten eignet sich perfekt für kleine und große Lügengeschichten: Ich täusche Lust, Erregtheit oder einen Orgasmus vor, obwohl nichts davon real existiert. Und dann gibt es noch die eher subtile Variante, dem Partner wichtige Informationen schlicht vorzuenthalten. Ich sage zwar nicht, dass ich Lust habe, ohne sie zu haben, ich sage aber auch nicht, wie es tatsächlich ist. Noch subtiler, und damit noch undurchschaubarer für alle Beteiligten (also auch für uns selbst), wird es, wenn wir passiv lügen, indem wir nicht nachfragen, obwohl die Fragezeichen aufleuchten. Wir wissen nicht, ob dem Partner der Sex gefällt, aber wir fragen vorsichtshalber mal nicht nach. Denn die Antwort könnte gravierende Folgen haben.
Wenn wir vom Lügen sprechen geht es uns hier natürlich nicht um eine moralische Komponente, sondern um ein Plädoyer für einen offeneren und ehrlichen Umgang miteinander, weil aus unserer Sicht nur so entspannte Sexualität möglich wird. Dass wir alle gute Gründe haben, innen wie außen nicht ganz offen und ehrlich zu sein, versteht sich von selbst.

Grund 1: Ich will dich nicht verletzen

Eine noble Haltung, auch eine liebevolle Haltung, keine Frage, aber wenn daraus entsteht, dass ich Dinge mitmache, die ich nicht mag, nützt das ganze Nobel-Sein irgendwie nix.
Ich will dich nicht verletzen heißt: Ich will nicht, dass du denkst, es wäre was falsch mit dir. Ist es ja auch nicht, es geht ja nur um Sex und um das, was da abläuft, nicht um die ganze Person. Das ist ziemlich schwer auseinanderzuhalten … wir fürchten, der Partner könnte sich angegriffen fühlen, insgesamt als Person, und deshalb lassen wir das Darüber-Reden besser. Was für eine fatale Fehlentscheidung.
Der Satz funktioniert übrigens auch ganz gut als Entschuldigung, weil er so empathisch daherkommt – aber eigentlich nur die eigene Angst kaschiert. Und Kaschieren im Sex ist einfach ausgesprochen unsexy.

Grund 2: Mit mir stimmt was nicht

Darf ich überhaupt so fühlen, wie ich fühle? Darf ich Oralsex nicht so prickelnd finden? Darf ich mehr dieses und weniger jenes wünschen? Oder bin ich einfach nicht normal? Sind meine Empfindungen falsch?
Sich als unzulänglich zu empfinden, ist ein echter Killer für jede Beziehung, und doch fühlen wir uns oft genau so. Und aus Angst, in unserer vermeintlichen Unzulänglichkeit gesehen zu werden, lügen wir munter weiter. Aus unserer Sicht gibt es nur eine Lösung: Licht ins Dunkle zu bringen und darüber zu sprechen. Die Idee, gut im Bett zu sein steckt tief in unseren Köpfen und vergiftet unsere Beziehung, unsere Liebe, unseren Sex.
Das zu ändern, beginnt damit, dem eigenen Fühlen zu vertrauen (nicht unbedingt dem Bedürfnis, denn die können sehr unerwachsene frühkindliche Wurzeln haben – dazu mehr in einem anderen Beitrag) und darüber ins Gespräch zu kommen – das hieße, der Lüge ein echtes Schnippchen zu schlagen.

Grund 3: Das könnte unser Ende sein

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Vielleicht ist die größte Angst, die ganze Beziehung könnte den Bach runtergehen, wenn wir das Fass Sexualität mal aufmachen. Und zwar richtig aufmachen, nicht immer weiter mit kleinen und großen, gesprochenen, vorenthaltenen oder gespielten Lügen und Vorenthaltungen zur Tagesordnung übergehen.
Zu dem zu stehen, was wir fühlen, was wir uns wünschen, was uns nicht gefällt, ist aus unserer Sicht ein wirklich großer Schritt in die Selbstverantwortung. Statt darüber zu mutmaßen, was denn jetzt wohl richtig wäre zu fühlen, geht es um das echte, gerade erlebte Gefühl, nicht um eine Mutmaßung.
Sich so weit zu öffnen, kann Skurriles ans Licht befördern. Vielleicht hast du immer gedacht, dein Partner wäre ganz heiß auf diese oder jene Praxis – aber leider leider stimmt das gar nicht. Du kannst es aber nicht wissen, weil niemals darüber gesprochen wurde. Im schlechtesten Fall entsteht daraus eine Sexualität, die beiden keine Freude macht, weil beide sich nicht trauen, über die eigenen Empfindungen zu sprechen. Also wird munter gemutmaßt – und der Sex wird immer unentspannter, anstrengender, belastender.
Und ja: Im Sex offen und ehrlich ins Gespräch zu kommen, verändert alles. Da kann es sein, dass erstmal kein Stein auf dem anderen stehen bleibt. Für den Moment. Denn unserer Erfahrung nach folgt dem Schreck sehr schnell eine große Erleichterung darüber, dass die ganze Verstellerei und die Sorge, ob wir alles richtig machen, endlich ein Ende hat.

Die Wahrheit auf dem Tisch schafft Freiraum und Vertrauen

Wir finden die ganzen Wahrheits-Verzerrungsstrategien (nennen wir’s nochmal beim Namen: Lügen) mittlerweile nur noch anstrengend. Im Sex haben wir das komplett abgestellt und kriegen es auch in vielen anderen Situationen zunehmend hin, deutlich zu sagen, was wir wollen und was nicht. Wir sind dadurch freier, echter und auch sehr viel vertrauensvoller insgesamt miteinander geworden. Weil wir uns jetzt darauf verlassen können, dass der andere sagt, was er will – und was nicht. So einfach ist das mit der Wahrheit.

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