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Nachdem der Kopf sich jetzt prima vorbereitet hat und alles weiß über Entspannten Sex (er glaubt nämlich, alle Veränderungen die Entspannter Sex mit sich bringt schon zu kennen), scheint der nächste Schritt leicht: Es geht in Richtung Herz.

Und weil Sex und Liebe für die meisten zusammengehören, kann Entspannter Sex ja eigentlich nur schöne Gefühle mit sich bringen. Oder?

Mal abgesehen davon, dass auch im normalen Alltag kein Mensch Lust auf schwierige Gefühle hat, gilt das für den Sex erst recht. Wir stellen uns vor, dass die Bühne ausschließlich frei wird für Liebe, Freude, Zärtlichkeit, Zuneigung, Offenheit, Vertrauen, Hingabe und all die anderen schönen Gefühlszustände – und ja, die sind alle herzlich eingeladen.

Aber: Vorsicht Falle!

Wenn du dich darauf einlässt, Gefühle zuzulassen, gilt das für ALLE Gefühle, nicht nur für die angenehmen. Es gibt leider keine halbdurchlässige Gefühlsmembran, die nur das durchlässt, was sich gut anfühlt. Entspannter Sex nimmt alles mit an Bord, Bewusstes wie Unbewusstes, weil du in Echtzeit mitbekommst, wie es dir jetzt gerade wirklich geht. Und gerade wenn ihr eure Art, Liebe zu machen, umstellt, schleichen sich auch Gefühle mit an Bord, die nicht immer angenehm sind. Statt sie wegzudrücken oder zu ignorieren, dürfen sie jetzt da sein. Und dürfen, müssen aus unserer Sicht sogar kommuniziert werden, wenn ihr gut im Kontakt sein wollt – Jeder mit sich selbst und ihr miteinander.

Worst case: Was kann hochkommen?

Zuallererst ist gut zu wissen, dass unsere Angst, Gefühle zu fühlen mit der Idee verbunden ist, da könnte ein Riesenfass aufgemacht werden mit Bergen von schrecklich unangenehmen Gemütszuständen, die nie enden werden. Aber das sind nur Gedanken – blöderweise halten wir sie oft für wahr. Diese Angst ist ein uralter Mechanismus und schützt uns vor emotionaler Überforderung (ein gesundes Überlebensmuster aus unserer Kindheit). Der Mechanismus stammt aus längst vergangenen Zeiten der Menschheitsentwicklung (dasselbe alte Programm übrigens spielt uns ja auch beim Paarungssex einen Streich: siehe unser Podcast Orgasmus Pro & Contra) und ist unbewusst auch im Erwachsenenalter zuverlässig wirksam.

Wenn wir uns aber entscheiden, Gefühle bewusst wahrnehmen zu wollen, taucht das auf, was da ist. Was sich gut oder weniger gut anfühlt, aber ziemlich schnell wieder vorbei geht. Im bewussten Umgang damit lernst du, dich nicht fortreißen zu lassen, sondern zu beobachten, was da gerade abgeht  – und es kann passieren, dass du dich wunderst, wie stark deine emotionale Reaktion ist, obwohl der Anlass dazu gar nicht zu passen scheint. Wenn das der Fall ist, haben sich alte Erfahrungen / Geschichten mit eingeschlichen, die dir (wieder) zu schaffen machen. Das ist meist nicht angenehm – aber je mehr du darüber weißt, desto schneller erkennst du den Mechanismus – und kannst dich davon lösen. Damit die wunderbaren positiven Gefühle, die im Entspannten Sex ihren Platz haben, endlich freie Bahn haben. Klingt das kompliziert?

Gefühle oder Emotionen

Der Australier Barry Long, ein Pionier in Sachen bewusster Sex, Mystiker und Philosoph, hat folgende Unterscheidung gemacht (er ist nicht der einzige, auch die Neurowissenschaft und einige Theorien beschäftigen sich intensiv mit dieser Unterscheidung): Er unterscheidet Emotionen von Gefühlen.

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Emotionen sind danach automatisierte Reaktionen, die bei bestimmten Auslösern einfach abgespult werden, sie schützen uns vor emotionaler Überforderung in Gefahrensituationen. Emotionen basieren auf alten, unbewussten Erfahrungen und haben mit der aktuellen Situation nicht wirklich etwas zu tun. Dummerweise sind die emotionalen Abläufe so stark, dass die eigentlichen Gefühle darunter verschwinden. So kann es sein, dass dich ein bestimmtes Verhalten deines Partners immer wieder aufregt, weil du es unbewusst mit einer Kindheitserfahrung verknüpfst. Deine starken Gefühle dazu haben dann aber weder mit deinem Partner noch mit der aktuellen Situation wirklich zu tun. Das voneinander zu trennen, ist nicht nur für den Entspannten Sex, sondern auch für deine Beziehung generell enorm hilfreich.

Zustimmen statt leugnen

Wichtig ist einmal die Erkenntnis, dass wir alle von unbewussten Emotionen beeinflusst sind. Das allein zu akzeptieren, entspannt oft schon sehr. Wenn du dann noch bereit bist, wacher wahrzunehmen, was sich in dir zeigt, kannst du immer schneller feststellen, was gerade Sache ist – ob es alter Emotionskram ist oder echtes Gefühl.

Gefühle sind immer im Jetzt, sie kommen aus der Gegenwart, der aktuellen Situation. Sind echte Erfahrungen, gelebtes Fühlen auf Herzebene. Gefühle sind eher körperlich (Tolles Trio: Kopf, Herz, Körper) als mental, sie haben keine endlos anhängende Geschichte (»Ich armes Opfer!«), sie stehen für sich im Moment. Während wir emotionale Zustände wie Frust oder Ärger über Stunden ausdehnen können, geht das mit Gefühlen nicht – sie verändern sich schneller als das Wetter im April – ein Grund mehr, sie nicht zu fürchten, weil sie vorübergehen.

Zu erkennen, dass du gerade emotional bist und über die Maßen heftig reagierst, hilft, einen Schritt zurückzutreten und mit deiner Reaktion verantwortlich umzugehen. Was nichts anderes heißt, als aufzuhören, dich und dein Gegenüber mit emotionalem Drama zu nerven.

Das ist ein Riesenschritt.

Von dort aus ist es nicht mehr weit zur Wahrnehmung des eigentlichen Gefühls – und was auch immer sich da breitmacht: Nimm es als das an, was es ist: ein Gefühl. Du handelst nicht mehr aus dem emotional-aufgeregten Affekt, sondern aus der Echtheit des gefühlten Moments – was für eine Befreiung. Diana Richardson hat darüber sehr ausführlich und hilfreich geschrieben – wenn du mehr dazu wissen willst, lies ihr Buch Zeit für Gefühle.

Was hat das denn mit Sex zu tun?

Alles, wenn du Sex mit Liebe leben willst. Wenn ihr lernt, in der Entspannung zu sein und das wahrzunehmen, was auftaucht, bekommen Gefühle den Raum, den sie brauchen, um wirklich gefühlt zu werden. Wenn ihr euch als Paar begegnet mit allem, was ihr in diesem Moment mitbringt, seid ihr wirklich in Kontakt. Alle Gefühle und alle Empfindungen dürfen sein, auch emotionales Durcheinander hat Platz, weil es als das erkannt werden kann, was es ist: alter Kram, der uns das Leben manchmal schwer macht.

 Im entspannten Sex hat alles Platz. Entspannung lässt viel Fühlen zu. Entspannung erweitert die Wahrnehmungswelten enorm. Und das lohnt sich – nicht nur, aber auch – beim Sex.

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